Nur wenn die TTIP-Verträge zu 100% umgesetzt werden – das bedeutet beim höchsten Liberalisierungsgrad – käme es gemäß den Prognosen, die sofort nach Bekanntwerden der geheimen Verhandlungen auftauchten, in Europa zu Wirtschaftswachstum und neuen Arbeitsplätzen.
So soll es – auf zehn Jahre gerechnet – in der gesamten EU bis zu 400.000, in Deutschland zwischen 18.000 und 180.000 neue Arbeitsplätze geben. Das bedeutet im besten Fall gerade mal eine Steigerung von 0,04% pro Jahr (0,4% für 10 Jahre).
Die Wirtschaftsleistung würde im gleichen Zeitraum um 120 Mrd.Euro ansteigen. Das entspricht einem Zuwachs von nur 0,09% im Jahr.
Über diese Prognosen kann man nachdenken – aber es sind nur Annahmen, deren tatsächlicher Eintritt ungewiss ist. Im Übrigen gibt es auch Prognosen, die durch TTIP Arbeitsplatzverluste und ein Minus bei der Wirtschaftsleistung in der EU vorhersehen.
Um sich einen umfassenderen Gesamteindruck zu verschaffen, ist es dabei aber auch sinnvoll, sich über die Auswirkungen der unlängst geschlossenen Handelsverträge zwischen Afrika und der EU zu informieren:
Auch die Ostafrikanische Gemeinschaft hat sich in Verhandlungen mit der EU begeben, um ein Freihandelsabkommen abzuschließen – EPA (Economic Partnership Agreement). Ziel war ein Wirtschaftswachstum in Afrika, mehr Arbeitsplätze und Wohlstand für die Bevölkerung.
Nach zehn Jahren Verhandlungen mit der Ostafrikanischen Gemeinschaft wollte Brüssel den Deal endlich abschließen. Aber einige Staaten, auch Kenia, weigerten sich dann doch zu unterschreiben. Dort geht die Angst um, dass die heimische Landwirtschaft als wichtigster Wirtschaftszweig der Konkurrenz aus Europa nicht gewachsen ist.
Die EU verhängte als Antwort auf die kenianische Unterschriftsverweigerung umgehend Zölle von 8,5 Prozent bis weit über 30 Prozent auf Waren aus diesem afrikanischen Land! Als diese Maßnahme bereits zu Entlassungen führte, haben die ostafrikanischen Länder, darunter Kenia, das Abkommen doch unterschrieben. Diese „Erpressung“ wie man in Kenia sagt – hat schnell gewirkt.
Der EU-Parlamentarier Gahler (CDU) verteidigt das EPA Abkommen: „Es eröffnet den afrikanischen Staaten die Chance, ihre eigenen Märkte zu stärken. Zudem seien in der Vereinbarung „flexible Mechanismen“ vorgesehen. Bestimmte Vorschriften müssen die afrikanischen Regierungen erst nach 20 Jahren implementieren. Das ist für Kenia die Chance, gegenüber Europa aufzuholen. Kenia soll die Zeit nutzen, seine Hausaufgaben zu machen – etwa beim Aufbau der Infrastruktur, der Stärkung des Rechtsstaats und dem Kampf gegen Korruption.“
Frederick Njehu von der kenianischen Menschenrechts-Kommission übt Kritik: „Das ist ein schlechter Deal. Was die EU alles von der Ostafrikanischen Gemeinschaft verlangt hat, kann diese nicht verkraften; besonders die Liberalisierung von 82,6 Prozent des Marktes. Das bedeutet die Abschaffung praktisch aller Importzölle über die nächsten 15 Jahre.“ Allein Kenia verliert dadurch nach Schätzungen eines heimischen Wirtschaftsinstituts weit über 100 Millionen Euro jährlich. Geld, das für den Aufbau der eigenen Wirtschaft fehlen wird.
Günter Nooke, Afrika-Beauftragter der Bundesregierung kritisiert: Deutschland bringt viel Steuergeld mit verschiedenen Entwicklungsprogrammen nach Afrika. Doch die Wirtschaftsabkommen mit afrikanischen Staaten machen diese Bemühungen zunichte. „Man sollte mit Wirtschaftsverhandlungen nicht kaputt machen, was man auf der anderen Seite als Entwicklungsministerium versucht aufzubauen.“
Der UN-Wirtschaftsexperte für Ostafrika, Andrew Mold, sieht die afrikanische Wirtschaft langfristig bedroht. „Die afrikanischen Länder können mit einer Wirtschaft wie der deutschen nicht konkurrieren. Das führt dazu, dass durch den Freihandel und die EU-Importe bestehende Industrien gefährdet werden und zukünftige Industrien gar nicht erst entstehen, weil sie dem Wettbewerb mit der EU ausgesetzt sind.“
So ist es nicht verwunderlich, dass viele Menschen aus Afrika aus Gründen ihre Heimat verlassen, die gerade eben mit den Folgen der Freihandelsabkommen in ihrem Land zu tun haben und dabei eine lebensgefährliche Flucht nach Europa auf sich nehmen.
Bürgerinitiative Chiemgauer-Seenplatte gegen Gasbohren
Viktoria Puchstein und Mary Fischer
Quellen: J. Zierhut, ARD Nairobi, SWR Report Mainz, EurActiv